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Leibniz' sprachwissenschaftliche Forschungen
„Sprachwissenschaft“ im Sinn einer auf der Grundlage systematischer
Materialsammlungen nach bestimmten Regeln betriebenen und nach Gegenständen
der Betrachtung (Lautlehre, Formenlehre, Syntax, Lexikologie etc.) gegliederten
Forschung hat sich erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts herausgebildet. In
Leibniz’ Zeit und im Kreis der mit ihm direkt oder indirekt in Verbindung stehenden
Gelehrten hingegen wurden zwar Grundlagenwerke geschaffen, vor allem auf lexikographischem
Gebiet und im Bereich der Quellenerschließung, die u.a. auf Grund des
in ihnen verarbeiteten Materials zum Teil bis in die Gegenwart ihre Bedeutung
bewahrt haben (vgl. H. LUDOLF, Grammatica linguae Amharicae,
1698; J.G. SPARWENFELD, Lexicon Slavonicum, ediert
1987-1992). Neben ihrem eigentlichen Gegenstand hatten diese Arbeiten aber grundlegende
Fragen der Methodik überhaupt erst zu erschließen; das Spektrum der
berücksichtigten Gesichtspunkte blieb entsprechend begrenzt und die erzielten
Ergebnisse vielfach ungesichert.
Vor diesem Hintergrund sind auch Leibniz’ Forschungen zur Sprache zu sehen,
die sich aber in einer wesentlichen Hinsicht von denen seiner primär linguistisch
orientierten Zeitgenossen unterscheiden: Jenseits eines allgemeinen, philosophisch
grundierten Interesses an Sprache schlechthin ist Sprachwissenschaft für
Leibniz in erster Linie eine historische Hilfswissenschaft. Ziel ist die Rekonstruktion
von Völkerbewegungen, die Identifizierung ethnischer Gruppen und damit
die Erhellung der Geschichte vor dem Einsetzen einer schriftlichen Überlieferung.
Der Weg dorthin führt über das Studium der Wörter und darauf
aufbauend die Feststellung von Sprachverwandtschaften, womit freilich vorausgesetzt
wird, daß aus der Sprache eines Volkes seine Herkunft zu bestimmen ist.
Leibniz’ Interesse gilt daher ganz überwiegend einer einzigen Disziplin:
der Etymologie.
Andererseits greift er viel weiter aus als die Mehrzahl seiner Zeitgenossen,
insofern er lexikalisches Material jeglicher Herkunft, vom deutschen Dialektwort
bis zu manjurischen Glossen, in seine Sammlungen und Überlegungen einbezieht.
Darin liegen Stärke und Schwäche seiner sprach-historischen Bemühungen
zugleich: den so eröffneten universalen Perspektiven steht gegenüber,
daß die Verarbeitung derart heterogener Materialien über die Kräfte
eines einzelnen hinausgeht. Schon mit dem Versuch, durch die Ausarbeitung eines
universalen Alphabets der Vergleichbarkeit der Sprachen näherzukommen,
scheitert Leibniz an den Fachvertretern seiner Zeit.
Oft muß es bei den bloßen Sammlungen bleiben. Auch wenn die von
seinen Korrespondenten, aus der vorhandenen Literatur und eigener Beobachtung
zusammengetragenen Materialien sehr unterschiedlicher Qualität sind, bleiben
sie teilweise auch unabhängig von Leibniz bis heute von großem Wert.
So ist der Großteil der erhaltenen Textzeugen des Dravänopolabischen
nur dank Leibniz’ Initiative erhalten. Daneben stehen zahlreiche Vaterunser-Versionen,
insbesondere in Sprachen aus dem zentralasiatischen Raum, wie Leibniz sie neben
Listen mit Alltagswörtern einer älteren Tradition folgend sammelt.
Bezugsquellen sind neben den Chinamissionaren die jeweiligen Vertreter der niederländischen
Ostindischen Kompanie. Dieses Material ist noch von Leibniz selbst großenteils
in seinen Collectanea etymologica zusammengestellt worden.
Im Fall von Wörtern aus der antiken Überlieferung und den gängigen
europäischen Sprachen versucht sich Leibniz an der Aufdeckung von Zusammenhängen;
dabei geht er grundsätzlich assoziativ vor: Etymologie = lautliche Ähnlichkeit
+ semantische Nähe. Für die unabdingbare Überprüfung der
gewonnenen Resultate allerdings fehlen die Voraussetzungen. Nicht nur die Materialbasis
ist zu schmal und nicht selten unzuverlässig. Es fehlt auch bis auf erste
Ansätze an Laut „gesetzen“, deren mögliche Existenz Leibniz
kein Gegenstand des Forschens ist. In antiker Tradition geht er von lautsymbolischen
Vorstellungen aus (z.B. [k] bezeichnet die Krümmung) und stellt gern Reihen
von Wörtern auf, die ihm diese These zu bestätigen scheinen, so wie
er die etymologische Verwandtschaft annähernd gleichbedeutender Wörter
verschiedener Sprachen und Zeiten (z.B. vir, erus, baro,
Herr) postuliert. Den spekulativen Charakter derartiger Konstruktionen
hebt Leibniz gelegentlich selbst hervor.
Im Idealfall erlauben Serien solcher Verwandtschaftsfeststellungen nicht nur
grobe Scheidungen von Völkerschaften nach ihren Sprachen (z.B. „skythische“
vs. keltogermanische Sprachen), sondern auch die Zuordnung versprengter Völker,
so wie Leibniz es im Fall der Dravänopolaben durch den Vergleich mit slavischen
und baltischen Materialien versucht; auf diese Weise soll ein prähistorischer,
wenn nicht ursprünglicher Zustand ermittelt werden, allerdings unter Vorbehalt
des Genesis-Berichts über die Völkerwanderungen nach der Sintflut,
mit dem Leibniz stets seine eigenen Befunde zu harmonisieren sucht.
Leibniz’ Forschungen zur Sprache stehen also in der Regel im Dienste weiterführender
Erkenntnisinteressen. Soweit sie die eigene Muttersprache betreffen, können
sie aber sehr wohl zum Selbstzweck werden. Leibniz steht den Bemühungen
der Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts durchaus aufgeschlossen gegenüber;
die Pflege des Deutschen in Wort und Schrift, die Herausarbeitung seiner Schönheiten,
die Ausschöpfung seines in Fachwortschätzen und Dialekten verborgenen
Reichtums sind ihm Anliegen auch um ihrer selbst willen. Von den „fruchtbringenden
Gesellschaften“ trennt ihn dagegen seine Ablehnung des bloß Spielerischen
und Unwissenschaftlichen, das im Kampf gegen tatsächliche oder vermeintliche
Fremdwörter leicht einen Zug ins Fanatische bekommen hat und auf einen
engen Lebenskreis beschränkt geblieben ist. Leibniz liegt auch hier zwar
in erster Linie der Wortschatz am Herzen, den es etymologisch zu untersuchen
und auf jede denkbare Weise zu erweitern gilt; doch soll das ganze Volk davon
profitieren, hohe wie niedere Stände, nicht zuletzt auch das „liebliche
Frauenzimmer“. Als Organisationsform für die Bemühungen, das
Deutsche auf eine Ebene mit den hoffähigen und bereits ungleich besser
erforschten Sprachen der Zeit zu heben, schwebt ihm die Gründung eines
„Teutschgesinnten Ordens“ vor. Manches von diesem Gedankengut ist
in die Planungen für die spätere Preußische Akademie der Wissenschaften
eingegangen, der geradezu revolutionäre Gedanke, die gesamte Bevölkerung
daran teilhaben zu lassen, hat in diesem Rahmen allerdings keinen Platz gefunden.
Literatur: S. von der SCHULENBURG,
Leibniz als Sprachforscher. Frankfurt am Main 1973
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